Mehr Transparenz in der Bewertung

Eine der wesentlichen und verantwortungsvollsten Aufgaben eines Prüfungsausschusses ist das Beurteilen bzw. Bewerten der Prüfungsleistungen. Mit seinem Urteil greift der Prüfer in die Berufs- und Lebensplanung eines Menschen ein. Das Nicht-Bestehen einer Prüfung oder eine schlechte Bewertung kann den weiteren beruflichen Werdegang erheblich beeinflussen und bedeutet meist auch einen finanziellen Nachteil. Aber auch eine zu gute Bewertung kann negative Folgen haben und zu einer Überforderung im Beruf führen, da der Mitarbeiter den Erwartungen des Arbeitgebers und den Anforderungen des jeweiligen Berufs nicht gerecht wird.

Prüflinge haben ein Anrecht auf eine gerechte, vergleichbare und nachvollziehbare Bewertung ihrer Leistungen. Prüfer müssen dem Rechnung tragen, in dem sie im Rahmen der Prüfungsvorbereitung

  • das allgemeine Handlungsziel der Prüfungsteile entsprechend der jeweiligen Verordnung definieren;
  • den Erwartungshorizont für die Gesamtlösung formulieren;
  • die einzelnen Bewertungskriterien für die Überprüfung der Handlungskompetenz der Prüflinge festlegen;
  • evtl. Gewichtungen einzelner Teilaufgaben diskutieren und festlegen;
  • definieren, welche Leistung zu welcher Bewertung (Punkte/Noten) führt.

Wurden früher in Prüfungen vielfach nur einzelne isolierte Kenntnisse, Fähigkeiten oder Wissenselemente beobachtet und bewertet, steht in modernen Prüfungen die berufliche Handlungskompetenz des Prüflings in berufstypischen angemessenen Situationen auf dem Prüfstand. Das macht die Bewertung ungleich komplexer und anspruchsvoller und verlangt eine hohe Transparenz des Prüfungsverfahrens. Wo nicht mehr nur „Richtig“ oder „Falsch“ im Zentrum der Bewertung stehen, sondern das Verhalten in komplexen beruflichen Handlungssituationen, muss dem Prüfling aufgezeigt werden, was von ihm erwartet wird: Wann gilt ein Handlungsziel als erfüllt, was sind die Mindestanforderungen, welche Lösungsansätze und Herangehensweisen sind gestattet und welche nicht, welche Toleranzen und Normen sind maßgeblich, welche Gewichtungen sind innerhalb der Aufgaben vorgesehen und was wird im heute obligatorischen Fach- oder Prüfungsgespräch erwartet?

Die größtmögliche Transparenz ist gewährleistet, wenn dem angehenden Prüfling die zugrunde liegenden Bewertungsunterlagen – beispielhaft zu einer Musteraufgabe – zur Verfügung gestellt werden. So ist eine gezielte Vorbereitung auf eine komplexe handlungsorientierte Prüfung möglich und darüber hinaus wird z.B. den ausbildenden Betrieben eine entsprechende Gestaltung der Ausbildung ermöglicht.

Für Prüfungsausschüsse ist es ungewohnt, sich in die Karten schauen zu lassen, waren doch in der Vergangenheit die Bewertungsmaßstäbe und –verfahren meist gut gehütete Geheimnisse. Erwartungen an den Prüfling, Bewertungskriterien und Gewichtungen dürfen jedoch kein Geheimnis sein. Natürlich bleibt der- auch rechtlich zugestandene – Ermessenspielraum der Prüfer davon unberührt, doch die prinzipiellen Verfahrensweisen der Beurteilung und Bewertung müssen offen gelegt werden, nicht zuletzt um eine überregionale Vergleichbarkeit der Prüfungen zu gewährleisten, einen hohen Qualitätsstandard sicher zu stellen und willkürliche Bewertungen zu verhindern.

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