Prüfungen – Qualitätssicherung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung

In den zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen der letzten Jahre für Mitglieder von ehrenamtlichen Prüfungsausschüssen wird in vielen Berufsgruppen immer häufiger über einen unzureichenden Ausbildungsstand der Prüflinge geklagt. Dies gilt gleichermaßen für Kandidaten in Gesellen- und Abschlussprüfungen wie auch für Prüflinge im Bereich der beruflichen Fortbildungsprüfungen. Mögliche Gründe hierfür sind so vielfältig wie schwer nachweisbar und lassen sich lange diskutieren: Eine schlechtere schulische Grundausbildung, eine unzureichende betriebliche Ausbildung, nachlassendes Engagement der Eltern, nachlassende Motivation der Auszubildenden bedingt durch schlechte Zukunftsaussichten u.v.m sind vielgenannte Faktoren. Einige Fakten jedoch lassen sich nicht übersehen: Gerade in vielen handwerklichen und handwerksähnlichen Berufen ist die schulische Eingangsqualifikation gesunken. Überdurchschnittliche Realschüler, geschweige denn Abiturienten können hier seltener für eine Ausbildung in den klassischen Berufsgruppen gewonnen werden. Zahlreiche Betriebe bestätigen, dass es bei der Suche nach Auszubildenden weniger an der geringen Zahl der Bewerbungen liegt, wenn kein Ausbildungsverhältnis zu Stande kommt, als vielmehr an der mangelnden Eignung der Bewerber. Der viel zitierte Lehrstellenmangel stellt sich bei genauerer Betrachtung nicht selten als Qualitätsmangel der Bewerber dar.

In den Bereichen der Fortbildung stellt sich die Sachlage nicht sehr viel anders dar. Prüfungsausschüsse für die Meisterprüfung klagen ebenso auf breiter Front über stetig sinkendes Niveau der Prüflinge. Hier wird die Situation noch dadurch verschärft, dass dem zukünftigen Handwerksmeister keinerlei Berufserfahrung mehr abverlangt wird, bevor er sich der Prüfung stellt. Nach schwacher Abschlussprüfung führt der Weg immer häufiger direkt in den Meisterkurs.
Vor diesem Hintergrund müsste die logische Konsequenz in vielen Prüfungen eine rasant steigende Quote an Durchfallern sein. Dies jedoch bestätigt sich im Querschnitt nicht. Was also passiert? Der Teufelskreis sinkender beruflicher Handlungskompetenz schließt sich, in dem das Anforderungsniveau vieler Prüfungen an die Voraussetzungen der Prüflinge angepasst wird. Die Argumente, die hier immer wieder angeführt werden, lassen sich wie folgt zusammen fassen:

  1. Der Prüfling kann nicht verantwortlich gemacht werden für Mängel in der vorangegangenen Aus- oder Weiterbildung;
  2. Es kann ja nur geprüft werden, was auch vermittelt wurde.
  3. Nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen müssen die Nicht-Bestehens-Quoten moderat bleiben;

Hier liegt m.E. ein fataler Denkfehler zu Grunde. Prüfungsausschüsse stellen – bei aller Verantwortung gegenüber den Prüflingen – keine soziale Instanz dar, sondern haben zu prüfen, ob die berufliche Handlungskompetenz des Kandidaten den Anforderungen des jeweiligen Berufsbildes oder der angestrebten Position gewachsen sind. Das Prüferurteil „Ausreichend“ muss weitestgehend garantieren, dass die gezeigten Leistungen den alltäglichen Anforderungen der Praxis standhalten.
So muss es oberste Priorität der Prüfungsausschüsse sein, die jeweiligen spezifischen Prüfungsanforderungen zu diskutieren und festzulegen, sie stetig zu überprüfen und ggf. zu aktualisieren. Dies gilt auch dann, wenn Prüfungen mittels zentral erstellter Aufgaben durchgeführt werden. Hier ist eine Rückmeldung zu den federführenden Stellen geboten.

Ehrenamtliche Prüfungsausschüsse sind ein wesentliches wenn nicht sogar ein entscheidendes Element der Qualitätssicherung in der Aus- und Fortbildung. Höchste Transparenz der Prüfungsanforderungen gegenüber zukünftigen Prüflingen und allen an der Aus- und Fortbildung Beteiligten ist eine Voraussetzung dafür, dass ein langfristig hoher Qualitätsstandard, der in vielen Berufen sicherlich auch noch gegeben ist, zu erhalten bzw. wieder herzustellen. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund der zahlreichen neuen, handlungsorientiert ausgerichteten Verordnungen.
Dies ist ein langsamer und stetiger Prozess, der nicht über den Weg einer spontanen Prüfungsverschärfung erreicht werden kann.

Nur mit einer hohen Aus- und Fortbildungsqualität kann das fundamental so starke deutsche berufliche Bildungssystem in bestehender Form gesichert werden und sich gegenüber der wachsenden europäischen Konkurrenz nachhaltig behaupten. Der Zugang zu einer klassischen Berufsausbildung wird dann vielleicht auch für höher und gut qualifizierte Schulabgänger langfristig wieder attraktiver.

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